Dr. Richard Barabasch, Allgemeinarzt
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Diskussionsbeitrag vom 16.3.99 :

Lieber Peter,

Deine Ideen zur Zweiklassenmedizin wirken auf mich ideologisiert. Es sind nicht nur die Gegner der "substanziellen Reform des Gesundheitswesens", sondern schlicht und einfach wir Ärzte, die diesen Begriff "Zweiklassenmedizin" verwenden, weil wir doch im Alltag sehr wohl erleben - gerade mit dem Erlebnis der Argumentation, die Du einige Abschnitte später vorträgst, - daß wir durch Kassenarztrecht und Kassenvertragsvorschrift gezwungen sind, einem Patienten, der kassenversichert ist, als Vertragsarzt, Leistungen vorzuenthalten, die wir ihm als universitär ausgebildeter Arzt mit Staatsexamen und in Kenntnis um den Stand der Wissenschaft durchaus gönnen wurden, wenn uns denn die Kassenvertragsvorschrift nicht daran hinderte.

Insofern finde ich mich nicht in den Reihen von Reaktionären in Reinstform, wenn ich den Begriff Zweiklassenmedizin verwende und ich will auch nicht die Zeichen der Zeit nicht sehen oder gar die Uhr anhalten, sondern ich spreche von meiner ärztlichen Realität, wo ich einem gesetzlichen krankenversicherten Patienten etwas nicht aufschreiben darf, weil es mir als Kassenarzt verweigert wird vom Kostenträger Krankenkasse, was ich einem Privatpatienten durchaus verschreiben würde und auch real verordne.

Deine weitere Argumentation mit Sozialismus im 20. Jahrhundert und den Mythos der klassenlosen Gesellschaft ist völlig in Ordnung, denn die Realität hat den Mythos noch mythischer werden lassen und die theoretischen Gegensätze von Sozialismus und Marktwirtschaft nivellieren sich in unserem Alltag auch schon zwanglos im Rahmen des historischen Fortschrittes.

Gut finde ich die Passage zum "großen Sozialismusmythos" und den Glauben, daß eine Qualität einer Dienstleistung sich völlig unabhängig vom Preis entwickeln könnte: Illusion reinster Güte! In der Tat aber - so meine ich - hat eine Kassenärzteschaft versucht, diesen Mythos mit Leben zu erfüllen, nur stösst sie jetzt unter unseren realen, wirtschaftlichen und sozialpolitischen Gegebenheiten an die Grenzen dieser machbaren Dulder- und Helfer- Eigen- Neurotisierung, daß sozusagen die eigenen sozialen Lebensumstände mit zunehmender und daraus entstandener Bankrotteur - Mentalität sie zwingt zu erkennen, daß es mit soviel Aufopferung und Ethik denn nun auch nicht mehr weitergeht, weil man daran real finanziell zugrunde gehen kann.

Auch ich bin der Auffassung, daß Ärzte sich nie aus eigenem Antrieb - Ausnahmen bestätigen die Regel - zu Halbgöttern erklärt haben, sondern daß dies immer der Wunsch anderer , z.B. Patienten gewesen ist, der von außen an sie herangetragen worden ist. Sie, die Ärzte, müssen sich allerdings zum Vorwurf machen lassen, daß sie sich mit dieser Maskierung mitunter ganz schön wohlgefühlt haben, weil sie erkannten, daß es dabei etwas zu erhalten gab, wenn es auch nur ein äußerst brüchiges und auf dem jetzt äußerst verrückenden sandigen Grund gebautes Ideengespinst gewesen ist.

Was Du dem Gesetzgeber andienst, was er tun solle, läßt sich auf einer anderen m.E. höheren Ebene so ausdrücken: Gib jedem Menschen Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder was allemal er auch sei, seine ganz persönliche Verantwortung für seine Lebensweise und damit eben auch für seine Versicherungen und seine Krankheitsabsicherung zurück!

Nur bitte ich dabei zu berücksichtigen, daß durch die Verdummungstendenzen der Politik in den letzten Jahren nach dem Motto: "Gib mir deine Stimme ich regle den Rest für dich" in weiten Kreisen unserer Bevölkerung ein Denkstillstand eingetreten ist und eben jene Nehmer-Mentalität sich entwickelt hat, mit der jedermann meint, "der andere soll`s richten", sprich: in Ordnung bringen. Und der andere ist dann meist zunächst einmal " die Politik", so anonym sie auch immer ist.

Soviel meine spontane Meinung dazu.
Herzlichst Dein Richard

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